März 29

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Zeichnen lernen schnell und langsam

Zeichnen lernen schnell und langsam

By Michael Wittmann

März 29, 2021

Manga-Figur, Geschichte erzählen


Die meisten Menschen glauben, dass sie nicht zeichnen können und dass man zeichnen nicht lernen kann. Dieser Glaube wird von allerlei weit verbreiteten Mythen über Kunst und Kreativität gestützt, etwa dass nur besondere Menschen, die von Geburt an mit “Talent“ ausgestattet sind, wertvolle Werke schaffen können. Der ganze Kunstbetrieb, vom Kritiker bis zum Galeristen strickt weiter an diesen Mythen, denn sie beleben das Geschäft.

Jeder kann zeichnen

Tatsächlich kann jeder Mensch zeichnen lernen, wenn man gute Voraussetzungen dafür schafft und ein Lernen zulässt. Dazu gehört, dass man die eigenen Fähigkeiten unaufgeregt und sachlich wahrnimmt. Viele Menschen empfinden große Scham angesichts ihrer Versuche, ein Bild zu zeichnen, sie haben sich das Ergebnis schon vor dem ersten Strich im Kopf ausgemalt, es war perfekt und diese ungelenken Striche auf dem Papier entsprechen dieser Vorstellung überhaupt nicht. Am liebsten würden sie ihre Zeichnung gar nicht anschauen, so schmerzhaft empfinden sie den Anblick, am besten die Zeichnung vernichten und nie wieder darüber reden. Habe ich jetzt übertrieben?

Vielleicht, aber genau das ist mein Eindruck, wenn ich sehe, wie ungeübte Zeichner auf ihre eigenen Werke reagieren und ich glaube, ich nehme die Emotionen zumindest ihrer Tendenz nach richtig wahr. Warum diese starken Emotionen? Es sind doch nur Striche auf dem Papier. Ich glaube, dass viele Menschen in ihrer Kindheit und Schulzeit beschämt werden, wenn es um ihre Kreativität geht. Nichts ist leichter, als ein Bild abzuwerten und die kleine Künstlerin gleich mit. Ob von Lehrkräften, Eltern oder anderen Kindern, ich glaube, die meisten Menschen haben solche beschämenden Erfahrungen gemacht und sind davon nachhaltig traumatisiert. Anders lässt sich die starke ablehnende Reaktion auf das eigene kreative Tun nicht erklären. Doch so verhindert man weitere Lernprozesse. Wenn man ein Ziel erreichen will, muss man zunächst wissen, wo man steht. Und da gilt es, das Ergebnis seiner aktuellen Bemühungen möglichst objektiv wahrzunehmen. Einfach global abzuwerten nach dem Muster “die Zeichnung ist nur schlecht und ich kann überhaupt nichts” und sich mit Grausen abzuwenden, ist der Sache nicht angemessen und bringt überhaupt nichts. Produktiver ist es, genau hinzusehen und zu bestimmen, was denn konkret nicht passt und was man im nächsten Versuch anders, vielleicht besser machen könnte. Und - für die meisten Menschen noch schwerer - was sind die positiven Aspekte der Zeichnung, was ist gut gelungen oder zumindest interessant gesetzt? Vielleicht die Linienführung oder der Ausdruck, viele Elemente in den Arbeiten ungeübter Zeichner sind bemerkenswert und lassen sich positiv hervorheben.

Ich finde, jede Zeichnung eines Schülers oder einer Schülerin hat positive und negative Aspekte; manches ist recht gut gelungen und in manchen Bereichen ist viel Potenzial zur Verbesserung. Um in einen Lernprozess einzutreten, muss man das wahrnehmen, und zwar sachlich und differenziert. Die absolute Verdammung ungeübter Zeichnungen ist dabei genauso unproduktiv wie das undifferenzierte Anhimmeln der Ergebnisse von Schülern, die sich ein paar Tricks der schönen Gestaltung angeeignet haben. Zeichnen ist nämlich nicht eine einzige monolithische Fähigkeit, die man entweder hat oder nicht, sondern es sind ganz viele kleine Fähigkeiten der Wahrnehmung und Gestaltung im Spiel, die in ihrer Gesamtheit das zeichnerische Können eines Menschen bestimmen. Beispielsweise die Wahrnehmung von Tonwerten, eine Schraffurtechnik oder die Fähigkeit, Faltenwürfe zu zeichnen. Um differenziert über zeichnerische Fähigkeiten sprechen zu können, ohne den Überblick zu verlieren, habe ich diese Fähigkeiten in drei Klassen eingeteilt:

  • Das symbolische Zeichnen
  • Das Abzeichnen, Kopie und Naturstudium
  • Das freie Zeichnen

Die gute Nachricht dabei ist, dass wirklich jeder Mensch in unserer Kultur über zeichnerische Fähigkeiten der ersten Klasse verfügt, und wenn er sie einmal wahrnimmt, kann er sie auch verfeinern und erweitern, um darauf aufbauend Fähigkeiten der zweiten und dritten Klasse zu entwickeln.

Das symbolische Zeichnen

Unter symbolischem Zeichnen verstehe ich das Setzen von geraden und gebogenen Linien und das Zusammensetzen dieser Linien zu einfachen, wiedererkennbaren Symbolen:

Ein Kreis im Zentrum strahlenförmig angeordneter Linien: die Sonne.

Eine geschlossene Linie, oben zwei Bögen und unten eine Spitze: ein Herz.

Man versteht die Symbole sofort, obwohl die Darstellung kaum etwas mit der realen Erscheinung dieser Gegenstände gemeinsam hat. Alle Kinder fangen so zu zeichnen an und in der Schule wird die Fähigkeit, gerade und gebogene Linien zu wiedererkennbaren Symbolen zusammenzusetzen, intensiv trainiert, so lange, bis es wirklich jeder Schüler und jede Schülerin kann. Nur dass diese Fähigkeit dann Schreiben genannt wird und die Symbole Buchstaben, weshalb die meisten Menschen denken, es würde sich um etwas ganz anderes handeln als Zeichnen, doch es sind exakt dieselben Fähigkeiten: symbolisches Zeichnen.

Nicht nur Kinderzeichnungen, auch einfache Comics und Cartoons können mit den Fähigkeiten des symbolischen Zeichnens gestaltet werden. Weltberühmte Serien wie die “Peanuts” oder “Hägar der Schreckliche” können als Vorbild dienen. Viele Zeichnungen, wie sie im Businesskontext für Flipchartpräsentationen, Sketchnotes oder im Graphic Recording eingesetzt werden, um komplexe Ideen und Prozesse als Bilder mit einem Blick zu erfassen, sind nichts anderes als symbolische Zeichnungen: Es werden einfache Linien, geometrische Formen und abstrakte Symbole verwendet, Raumtiefe und Perspektive werden vermieden oder allenfalls nur angedeutet, die Darstellung von Figuren ist nur ein klein wenig aufwendiger als bloße Strichmännchen, und doch kann man ihnen mit wenigen gekonnt gesetzten Details Ausdruck, Charakter und Dynamik verleihen.

Wenn ich sage, dass jeder Mensch über die Fähigkeiten des symbolischen Zeichnens verfügt, heißt das nicht, dass jeder sofort perfekte Flipcharts, Sketchnotes und Cartoons gestalten kann. Es hat ja auch nicht jeder, der schreiben kann, eine wunderschöne Schrift. Aber wir alle haben es bereits einmal gelernt, und daher ist es nicht schwer, diese Fähigkeiten wiederzuentdecken. In der Schule hat es zwei Jahre gebraucht, bis wir einigermaßen die Schrift beherrschten. Um die Fähigkeiten des symbolischen Zeichnens aufzufrischen, braucht es nur wenige Stunden. Und genau so wie ein Erwachsener, der sich eine schlampige, schwer lesbare Handschrift angewöhnt hat, einmal innehalten kann und mit Konzentration auf jede Linie spätestens im dritten Anlauf einen schönen Schriftzug hinkriegt: Tempo raus, Aufmerksamkeit rein.

Wenn es uns nicht um ein realistisches Abbild der Wirklichkeit geht, sondern darum, mit unseren Zeichnungen Ideen auszudrücken, Geschichten zu erzählen, kurz gesagt, wenn es um Kommunikation geht, dann genügt es völlig, die Fähigkeiten des symbolischen Zeichnens aufzufrischen und zu verfeinern: Die meisten Menschen machen dabei sehr schnelle Fortschritte und erzielen in kurzer Zeit sehr schöne Ergebnisse. Auf diese Art kann man sehr schnell zeichnen Lernen und dazu leite ich in meinen Comic Kursen alle TeilnehmerInnen an, soweit sie nicht bereits über fortgeschrittene Fähigkeiten verfügen und etwas Übung in einer realistischen Darstellungsweise haben. Das würde Fähigkeiten der zweiten und dritten Klasse voraussetzen.

Das Abzeichnen - Kopie und Naturstudium

Das Abzeichnen hat einen schlechten Ruf, gilt als unredlich, unkreativ und irgendwie zu leicht. Egal wie gekonnt und qualitätsvoll eine Kopie ausgeführt wird, durch die Aussage “das ist ja nur abgezeichnet”, wird sie abgewertet. Dabei war das Kopieren alter Meister, das Zeichnen nach zweidimensionalen Vorlagen und dreidimensionalen Modellen jahrhundertelang fester Bestandteil jeder künstlerischen Ausbildung in Meisterklassen und Akademien.

Nur wenn man die Arbeiten früherer Meister genau studiert, erfährt man, wie sie an ihr Werk herangegangen sind, wie sie ihr Motiv aufgebaut, wie sie das Bild technisch gestaltet haben. Man studiert ein Bild nie genauer, als wenn man es abzeichnet. Auch das Abzeichnen von Fotos ist eine gute Übung. Die Wirkung von Licht und Schatten lässt sich kaum so deutlich nachvollziehen wie beim Betrachten eines guten Schwarz-Weiß-Fotos. Wenn man das Foto mit Bleistiften abzeichnet und dabei auf die genaue Wiedergabe von hellen und dunklen Tonwerten achtet, lernt man noch mehr als beim bloßen Betrachten.

Wenn man nicht genau weiß, wie ein Ding aussieht, kann man es nicht realistisch zeichnen. Da hilft es zunächst einmal, das eine oder andere Referenzfoto abzuzeichnen, bis die Gestalt des Objekts vertraut und in Gehirn und Zeichenhand abgespeichert ist. Die Darstellung von Ansichten unserer Umgebung wurde in der klassischen Künstlerausbildung Naturstudium genannt und umfassten

  • Stillleben,
  • Landschaftsstudien,
  • Porträts
  • Aktzeichnen etc..

Kurz gesagt, jedes Abzeichnen der vor unseren Augen befindlichen sichtbaren Realität. Dabei lernt man mit der Zeit, wie die sichtbare Wirklichkeit aufgebaut ist, wie Licht von verschiedenen Oberflächen reflektiert wird, wie die Illusion von Raumtiefe entsteht, was die Aufmerksamkeit des Betrachters anzieht und vieles mehr. Ohne das Abzeichnen ist eine realistische Darstellungsweise nicht erlernbar.

Die besten Fortschritte lassen sich dadurch erzielen, dass man nicht immer nur von Fotos abzeichnet oder immer nur seinen Lieblingscomiczeichner kopiert, sondern wenn sich das Kopieren von Bildern mit dem Naturstudium abwechseln. Auch beim Kopieren können immer wieder andere Vorlagen verwendet werden:

  • Fotos,
  • Zeichnungen alter Meister,
  • moderne Illustrationen
  • oder auch ein aktuelles Comicpanel.

Wer nur von einer Quelle lernt, wird bald als Imitator gelten. Wer aus verschiedenen Quellen lernt, entwickelt rasch einen individuellen Stil. Diesen Prozess kann man beschleunigen, indem man nicht nur abzeichnet, sondern auch regelmäßig versucht, ein Motiv aus der eigenen Fantasie zu zeichnen, ganz ohne Vorlage und Modell. Damit entwickelt man zeichnerische Fähigkeiten der dritten Klasse.

Das freie Zeichnen

Wer naturnahe, realistische Bilder allein aus seiner Vorstellung zeichnen kann, der verfügt über die Fähigkeiten des freien Zeichnens. Sind diese Fähigkeiten gut ausgeprägt, können in den Zeichnungen beliebige Körper im Raum angeordnet werden und dem Betrachter die Illusion einer dreidimensionalen Szenerie vermitteln. Raumtiefe, Perspektive, Licht und Schatten inklusive. Künstler, die solche Fähigkeiten gut beherrschen, gelten oft als besonders “begabt”, “begnadet” oder “talentiert”. Dabei haben auch sie diese Fähigkeiten irgendwann durch Übung oder spielerisches Tun erworben.

In das freie Zeichnen fließen ganz viele Informationen über den Aufbau der sichtbaren Welt und die Wirkungsweise von Bildern ein. Diese Informationen kann man am besten durch Abzeichnen gewinnen: Wer Fähigkeiten der Klasse 3 erwerben will, muss intensiv an seinen Fähigkeiten der Klasse 2 arbeiten und diese über einen längeren Zeitraum ausüben.

"Ich kann nicht Zeichnen"

Wenn Menschen sagen, “Ich kann nicht zeichnen”, meinen sie eigentlich “Ich kann nicht realistisch zeichnen” oder “Ich kann nicht frei realistisch zeichnen”. Der Wunsch, realistisch zeichnen zu können, ist oft sehr groß. Zwar sind auch die fortgeschrittenen Befähigungen, die man für das realistische Zeichnen braucht, erlernbar, aber leider nicht so schnell und einfach wie die Fähigkeiten des symbolischen Zeichnens, da Abzeichnen kaum geübt wird und die Kompetenzen des freien Zeichnens am Anfang nicht vorhanden sind.

Es geht darum, zwei Funktionen unseres Bewusstseins zu verbinden, die normalerweise vorhanden, aber voneinander getrennt sind. Einerseits unser intuitives Verständnis von Raum und Volumen, das wir in unserer frühen Kindheit ganz spielerisch erlernt haben und das uns befähigt, die Flugbahn eines Balls zu berechnen und den Ball zu fangen und andererseits die zeichnerischen Fähigkeiten, von denen wir zumindest solche der Klasse 1 mitbringen. Wer regelmäßig Stillleben und andere Formen von Naturstudien zeichnet, übt diese Verbindung ein und kommt dem freien Zeichnen langsam, aber stetig näher. Das ist langsames Zeichnen lernen.

Diese Einteilung der zeichnerischen Fähigkeiten hilft mir dabei, meine Kurse und Trainings genau auf ein Ziel zu fokussieren, damit er dem Teilnehmer den jeweils größten Nutzen bringt.

Comic & Manga Zeichenkurse

Im Comic Kurs und im Manga Kurs geht es primär um die Entwicklung und Umsetzung von Geschichten, die zeichnerischen Fähigkeiten sind dabei Mittel zum Zweck.

Wer keine fortgeschrittenen Zeichenskills mitbringt, wird zum symbolischen Zeichnen angeleitet.

Wer bestimmte Sachen frei zeichnen kann, kann diese Fertigkeiten beim Gestalten seiner Geschichte anwenden und verfeinern.

Am Ende des Kurses haben alle Teilnehmer eine Comic- oder Manga-Seite komplett entwickelt, entworfen, gelettert und reingezeichnet. Alle haben gelernt, wie man eine Geschichte mit Bildern erfinden und erzählen kann und ihre Zeichenkünste verbessert. Ein schöner Erfolg für alle!

5-tägiger-Zeichenkurs

Im Zeichenkurs werden schwerpunktmäßig Stillleben gezeichnet und je nach Teilnehmerzahl und Vorlieben auch andere Formen des Naturstudiums betrieben. Ziel des Kurses ist es, die Fähigkeiten des Abzeichnens zu üben und sich dem freien Zeichnen anzunähern. Um sich der vorhandenen Befähigungen zu vergewissern und um garantierte Erfolgserlebnisse zu haben, streue ich dazwischen immer wieder Übungen aus der Klasse symbolisches Zeichnen ein. So werden alle zeichnerischen Kompetenzen trainiert und jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin hat am Ende eine Sammlung von Arbeiten, die den Fortschritt ihrer Fähigkeiten dokumentiert.

Zeichnen auf dem Flipchart

Im Workshop ICONS oder Zeichnen auf dem Flipchart zeige ich, wie man mit Mitteln des symbolischen Zeichnens abstrakte und komplexe Ideen darstellen kann. Diese Bildsprache eignet sich für persönliche Aufzeichnungen genauso wie für Vorträge vor größerem Publikum. Der Workshop bietet unzähligen Anregungen für Bildsymbole und deren Gestaltung. Die TeilnehmerInnen erarbeiten mindestens einen Flipchart oder eine Sketchnote-Doppelseite zu einem ihrer persönlichen oder beruflichen Themen. Hier werden die Fähigkeiten des symbolischen Zeichnens eingeübt und weiterentwickelt.

Was sind deine Ziele?

Was sind deine Ziele beim Zeichnen? Welche Fähigkeiten möchtest du entwickeln oder verbessern? Ist das Zeichnen für dich ein entspannender Zeitvertreib, ein Mittel der Kommunikation oder künstlerischer Selbstausdruck oder alle drei? Meine Zeichenkurse bieten eine gute Umgebung, um deine Ziel weiterzuverfolgen.

Michael Wittmann

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